Garantiertes Mindesteinkommen
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Gesellschaft und Arbeitswelt wandeln sich rasant

"Besser ein schlecht bezahlter, als überhaupt keinen Job", ist die Losung der Aktivierenden Arbeitsmarktpolitik seit den 1990ern. Konsequent wurde der Arbeitsmarkt liberalisiert. In Deutschland entstand der größte Niedriglohnsektor in Europa (wahrscheinlich weltweit). Das bedeutet, dass aktive Instrumente der Arbeitslosenunterstützung (z.B. Weiterbildung) und Arbeitnehmerrechte abgebaut wurden (z.B.Kündigungsschutz).

   In Deutschland ist mehr als die Hälfte aller Einwohner erwerbstätig. Das ist historisch einmalig und beeindruckend, aber es hat die Kluft zwischen Arm und Reich nicht verringert, sondern vergrößert. Von den 27 Millionen sozialversicherten Menschen sind nur noch 20 Millionen in Vollzeit beschäftigt. Dies ist auf die Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen, Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung zurückzuführen. Die Erwerbsarbeit reicht immer weniger zum Leben aus, die Renten schrumpfen. Die deutsche Wirtschaft ist international so wettbewerbsfähig wie nie zuvor, schadet damit anderen Volkswirtschaften und letztlich sich selbst. Die Gewinne nicht nur der großen Unternehmen sind stark angestiegen. Trotzdem verfällt die Infrastruktur, weil Überschüsse nicht investiert, sondern auf den Finanzmärkten riskant verzockt werden. Sich aus der Krise heraus zu sparen, ist keine Lösung.

Deutschland auf dem Weg zum Niedriglohnland

Ein weiteres Argument für ein garantiertes Mindesteinkommen ist der technische Fortschritt. In Deutschland ist die Produktivität in den letzten zwei Jahrzehnten um ein Viertel gestiegen. Die Reallöhne sind jedoch gleich geblieben und zwischen 1999 und 2007 sogar gesunken (Quelle: Lohnreport der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Dez. 2012). Die Einkommensschere öffnet sich weiter. Ein Fünftel der Vollzeitbeschäftigten (3,8 Millionen) schafft es nicht, mehr als 1.667 Euro pro Monat zu verdienen. Rechnet man Auszubildende und Teilzeitbeschäftigte hinzu, sind es sogar 8,7 Millionen Beschäftigte, die unterhalb dieser Verdienstgrenze arbeiten - immerhin ein Drittel aller sozialversicherten Arbeitnehmer.

Nettolöhne in Deutschland
Reale Monatseinkommen im Vergleich 2000-2010, Veränderung nach Einkommensgruppen bei abhängig Beschäftigten in Preisen von 2005, Angaben in Euro

 2000 270 520 835 1.0731.258 1.421 1.601 1.8412.219 3.419
 2010 211 435 705 963 1.193 1.412 1.6091.836
2.215 3.446
Gehalts-
gruppe
 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

2000, Durchschnittseinkommen: 1.429 Euro
2010, Durchschnittseinkommen: 1.394 Euro
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aus:SOEP, DIW 2011


Verarmung im Namen der Wettbewerbsfähigkeit

Die Rosskur für die Löhne hat die Armutsfalle erst entstehen lassen. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist das Einkommen jedes dritten Erwachsenen unter die Niedriglohn-Schwelle gefallen (DIW 2012). Wie soll sich Arbeit lohnen, wenn die Brücke zur besseren Arbeit durch Niedriglohn einstürzt? Nur die Hälfte der Niedriglohnempfänger schafft es auf ein höheres Einkommensniveau. Die anderen geraten eher in die Abwärtsspirale. Es trifft vor allem junge Menschen und Frauen. Hilft der Spruch: Jede Arbeit besser als keine? Lohn- und Einkommenseinbußen werden oft hingenommen, schlechte und schlecht bezahlte Kleinstarbeitsverhältnisse oder Leiharbeiter-Stellen aus Angst vor Hartz IV ohne Murren akzeptiert.

Armut wird schön gerechnet
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Ungerechtigkeiten erkannt und den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Was ist üblicherweise die Antwort? Die Reform wird repariert, was aber mehr Fragen aufwirft. Das fängt bei der Berechnung des Regelsatzes an und setzt sich in fragwürdigen Details fort. Die Bezugsgruppe umfasst nicht mehr wie früher das untere Fünftel, sondern nur die unteren 15 Prozent der Arbeitnehmereinkommen. Verdeckt Arme, also Leute, die keine Sozialleistungen beantragen, werden bei der Referenzgruppe mit gerechnet. Der neue Regelsatz ist folglich realitätsfern, viel zu niedrig und nicht existenzsichernd.

Die Basteleien am Hartz-IV-System müssen ein Ende haben
In der Realität ist Hartz IV zum Instrument der sozialen Gängelung geworden. Niedrigverdiener werden in perspektivlose Warteschleifen "geparkt", aufgestockt und ausgesteuert. Wem nützt Diskriminierung und Sanktionen für Hilfeempfänger? Die Abkehr von Hartz IV würde einerseits bedeuten, das Nebeneinander von vielen Sozialleistungen zu beenden. Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Kosten der Unterkunft, Wohngeld und Bafög. Andererseits müssten Sanktionen abgeschafft und freiwillige Angebote zur Beratung und Weiterbildung geschaffen werden. Die Vermögensanrechnung sollte erst ab 100.000 Euro greifen. Altersvorsorge und selbst genutztes Wohneigentum sollten anrechnungsfrei bleiben. Bei Zuverdiensten sollte ein Leistungsempfänger mehr behalten dürfen.

Mehr soziale Freiheit wagen!
Was macht zunehmende Verarmung mit der Gesellschaft? Junge Menschen können ihre Zukunft nicht mehr planen. Frauen leisten anteilsmäßig mehr Teilzeit, haben häufig eine gebrochene Lebensarbeitsbiografie und sind so zusätzlich benachteiligt. Selbst nach 45 Jahren Beitragszahlung in die Rentenversicherung droht verstärkt der Absturz in die Altersarmut. Für Geringverdiener reicht oft das Geld nicht zum Leben und für eine adäquate Altersvorsorge auch nicht. Einmal arm, immer arm.

   Was tun gegen die wachsende Gehaltskluft? Vertreter der Agenda 2010 bedauern Fehlentwicklungen. Vergießen sie Krokodilstränen? Sozialverbände und Gerichte fordern, Giftzähne des Hartz-Systems  zu ziehen oder Regelsätze minimal anzuheben. Umsteuern täte Not. Drei Forderungen sind daher unabdingbar: Gute Arbeit, ein allgemein verbindlicher Mindestlohn und ein garantiertes Mindesteinkommen.

   Es hilft unteren Einkommensgruppen individuell, existenzsichernd, ohne Bedürftigkeitstest und ohne Arbeitszwang.
Ein kundenorientiertes Jobcenter ist utopischer als ein adäquates staatlich garantiertes Grund- bzw. Mindesteinkommen.
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